Siat - Frankfurt (Hochaltar)
7.1 Herz-Jesu-Altar im Kaiserdom zu Frankfurt
Auf diese beachtenswerte Altar-Wanderung wurde ich aufmerksam durch Hinweise in den Schriften von Poeschel und Batz:
Sogn Flurin, erstmals 1481 erwähnt, wird im Visitationsprotokoll von 1641 genauer beschrieben. Diese Kirche wurde um 1740 niedergelegt und durch einen barocken Neubau ersetzt (1744 geweiht). Der alte Turm blieb zunächst stehen, musste 1924 wegen Baufälligkeit auch erneuert werden.
Der Hochaltar der ersten Kirche fand im Neubau des 18. Jahrhunderts keinen Platz. Der neue Hochaltar ist hier oben ausführlich dargestellt und dokumentiert.
Über den Verbleib in der Zeit zwischen ca. 1750 und 1875 fehlen mir noch Informationen. Dann taucht der Altar in Frankfurt auf, erworben vom Dompfarrer Münzenberger für den Kaiserdom. Dieser war 1866 abgebrannt. Der Striegel-Altar wurde hier aufgestellt, jedoch nicht mehr als Marien-Altar, sondern als Herz-Jesu-Altar. Die zentrale Muttergottes-Figur kam nach Clervaux (Luxemburg) in die Abtei St. Maurice (Vierge d'orée), für den Altar wurde eine neue Herz-Jesu-Statuette geschaffen.
Auch die heutige Predella ist nicht aus Siat, sondern ein Neubau um die Jahrhundertwende 1900. Die originale Predella wurde Teil des Kreuzaltars in der Kirche St. Leonhard in Frankfurt.
Dr. Elsbeth de Werth hat sich, wie wohl niemand sonst, mit der Ausstattung des Kaiserdoms beschäftigt und dies u.a. in drei Schriften niedergelegt:
Die Altarsammlung des Frankfurter Stadtpfarrers Ernst Franz August Münzenberger (1833-1890).
Ein Beitrag zur kirchlichen Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
- Europäische Hochschulschriften Reihe XXVIII Kunstgeschichte Bd./Vol. 174 Dissertation 1992
Zum sogenannten Herz-Jesu-Altar im Frankfurter Dom
- Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 62, 1993. Sonderdruck mit freundlicher Erlaubnis der Autorin hier zum Download [15,2 MB] (!)
Die Ausstattung des Frankfurter Domes
- hrsg. vom Bischöflichen Ordinariat des Bistums Limburg. Im Auftr. des Denkmalamtes der Stadt Frankfurt am Main bearb. von Elsbeth de Weerth. 1999 Verlag Waldemar Kramer GmbH, Frankfurt am Main
Aus diesen drei Schriften wird nachfolgend mehrfach zitiert, ohne dort nochmals die Quellen einzeln zu benennen. Ich danke Frau Dr. de Weerth sehr herzlich für Ihre Hilfe und Ihr Entgegenkommen.
Beschreibung des Herz-Jesu-Altars
Frankfurt am Main Dom St. Bartholomäus
nördliches Querhaus, Ostwand Herz-Jesu-Altar
Flügelaltar mit Predella und Maßwerkkamm
Ivo Strigel, 1505, schwäbisch
Schrein: Tannenholz (?)
Figuren: Lindenholz
Tempera auf Holz
H. 164,5 cm, Br. 158 cm (Schrein)
H. 164,5 cm, Br. 79 cm (Flügel)
H. 76 cm, Br. 270 cm (Predella)
Im Schrein auf gestuftem Sockel Herz-Jesu-Figur flankiert von dem hl. Florinus mit der hl. Barbara und dem hl. König Luzius mit seiner Schwester Emerita. Auf den reliefierten Flügelinnenseiten links hll. Katharina und Bartholomäus, rechts Sebastian und Maria Magdalena. Auf den Flügelaußenseiten die gemalte Darstellung der Verkündigung und des Georgskampfes. Im Maßwerkkamm Papst Gregor. Predella mit sechs Heiligen unter Arkaden, in der Mitte Tabernakel mit Verkündigungsrelief.
Text der Sockelinschrift: A[nn]o milleno qu[in]ge[n]t[esimo] et in-super qu[in]to huc me fundauit / yvo [co]gno[m]i[n]e strigel Alman[us] genere / ex me[mm]inge[n] imp[er]iali virginis almi-vome purificationis marie.
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Münzenberger erwarb ihn 1868 aus der Nachlaßversteigerung des Würzburger Sammlers Etlinger. 1879 wird er in Frankfurt, allerdings im Domkreuzgang abgestellt, zum erstenmal erwähnt. Ein Photo aus derselben Zeit zeigt den Flügelschrein noch auf seinem ursprünglichen Unterbau, einer Predella mit Büsten von Christus und den zwölf Aposteln, die von Münzenberger zusammen mit einem Kreuzigungsaltar wiederum an die Leonhardskirche in Frankfurt abgegeben wurde.
[Beim Erwerb durch Münzenberger] stand im Zentrum des Altars eine Maria mit Kind. Im Zuge gesteigerter Herz-Jesu-Verehrung wurde der Altar im Austausch der Marienstatue mit einer neugotischen Herz-Jesu-Figur umgewidmet.
Nach jüngsten Forschungen über die in großem Umfang arbeitende Werkstatt des Niklaus Weckmann werden die Schnitzfiguren des Sether Altars überzeugend einem aus dieser Ulmer Werkstatt hervorgegangenen Gesellen zugeschrieben, der zeitweilig in der Memminger Werkstatt des Ivo Strigel gearbeitet haben soll. Die Flügelmalereien und die Goldgründe gehen wohl auf die Strigel-Werkstatt selbst zurück, die den Marienaltar am Fest Mariae Reinigung (2. Februar) in der Kirche von Seth aufstellte.
Das erwähnte verlorene Gesprenge des Sether Altars wurde in Frankfurt um 1900 durch einen neu angefertigten Maßwerkkamm ersetzt. Die Provenienz der hier eingestellten, kleinen Gregorsfigur ist ungeklärt. Anstatt der urspünglichen Apostelpredella erhielt der Herz-Jesu-Altar ein neues Predellengehäuse mit Tabernakel aus der Werkstatt des Caspar Weis. Die kleinen spätgotischen Heiligenfiguren in den Arkaden stammen wohl aus der Sammlung Münzenberger.
7.2 Predella (neu um 1900)
Predella mit sechs Heiligen unter Arkaden; in der Mitte Tabernakel mit Verkündigungsrelief. Text der Sockelinschrift:
A[nn]o milleno qu[in]ge[n]t[esimo] et in-super qu[in]to huc me fundauit / yvo [co]gno[m]i[n]e strigel Alman[us] genere / ex me[mm]inge[n] imp[er]iali virginis almi-vome purificationis marie.
Im Jahre 1505 stellte mich hier auf Ivo Strigel, von deutscher Abstammung aus der kaiserlichen [Stadt] Memmingen [am Tag] der Reinigung der Segen spendenden Jungfrau Maria.
Predella Details
7.3 Flügel-Altar
Linker Flügel
Linker Flügel - Details
Schrein
Schrein - Details
Rechter Flügel
Rechter Flügel - Details
7.4 Altar in geschlossenem Zustand
Altarflügel außen
Papst Gregor
Mit dem Schieberegler kann man den Altar in einer Aufnahme von Ende des 19. Jahrhunderts mit heute vergleichen:
Maria mit Kind wurde durch eine neue Herz-Jesu-Figur ersetzt. Da diese in der Organisation ihrer Gewandfalten jedoch genau der originalen Figur folgt, wurde das ursprüngliche Erscheinungsbild des Altars auf den ersten Blick nur wenig gestört.
Der "originale" Marienaltar / Digitale Rekonstruktion
Noch 1643 wird der Altar, bekrönt von einem inzwischen verlorenen Gesprenge mit Kruzifixus, in einem Visitationsprotokoll an seinem ursprünglichen Standort Siat/Seth genannt.
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt gelangte der Marienaltar offenbar in den Kunsthandel, denn Stadtpfarrer Münzenberger erwarb ihn 1868 aus der Nachlaßversteigerung des Würzburger Sammlers Etlinger. 1879 wird er in Frankfurt, allerdings im Domkreuzgang abgestellt, zum erstenmal erwähnt. Ein Photo aus derselben Zeit zeigt den Flügelschrein noch auf seinem ursprünglichen Unterbau, einer Predella mit Büsten von Christus und den zwölf Aposteln, die von Münzenberger zusammen mit einem Kreuzigungsaltar wiederum an die Leonhardskirche in Frankfurt abgegeben wurde.
Crucifix im Gesprenge aus einem Altar in Brigels/Breil - Kapelle Sogn Martin (unweit von Siat/Seth) entnommen und einmontiert.
Marienfigur aus Clervaux (Luxemburg) an Stelle der Herz-Jesu-Figur einmontiert
Predella aus dem Kreuzaltar der Leonhardskirche Frankfurt an Stelle der vorhandenen Predella einmontiert
Vierge d'orée
In einem neuen Altarzusammenhang steht die originale zentrale Marienfigur seit 1910 als "vierge dorée" im Benediktinerkloster Clervaux in Luxemburg. Dort wird sie Bernhard Strigel zugeschrieben. Zuvor befand sie sich in der Kapelle des Jesuitenkonvikts in der Hauptstadt des Landes. Die Jesuiten hatten sie um 1900 direkt aus Frankfurt erhalten.
Danksagung
Ich bedanke mich sehr bei Pater Eickhoff / Abbaye Saint Maurice in Clervaux (Luxemburg), der mir die Bilder der "Vierge d'orée" zur Verfügung gestellt hat.
==> Homepage der Abtei
Ebenso bedanke ich mich sehr herzlich bei Dr. Andreas Bomba, der mir beim Fotografieren des Herz-Jesu-Altars in Frankfurt geholfen hat, sowie vor allem bei Frau Dr. Elsbeth de Weerth, ohne deren Hilfe ich diese Rekonstruktion nicht hätte realisieren können.